Blauwasser-Blog: Abenteuer Atlantiküberquerung |YACHT

2022-08-19 21:40:50 By : Ms. Nina He

Nach Pandemie-bedingter Törnpause waren Finkbeiners endlich aufs Schiff zurückgekehrt. Von Gambia aus wagten sie vor einem Jahr den Sprung über den Großen Teich

Irgendwo in Westafrika vor einem Jahr. Unsere "Aracanga" liegt an einer Boje im Fluss, und wir warten am Ufer in einer mangels Elektrizität notdürftig mit Kerzenlicht beleuchteten Kneipe auf den sympathischen Herrn mit den Wattestäbchen, der uns auf Corona testen soll. "Guten Abend, ich bin Ibrahim vom Gesundheitsministerium. Habt ihr Corona?"

"Guten Abend. Ääh, ich glaube nicht ..." "Das glaube ich auch. Dann können wir uns den Aufwand mit den Tests ja auch sparen. Ich bring euch die Zertifikate morgen Mittag vorbei." "Alles klar. Danke."

Pünktlich – für diesen Teil der Welt nicht selbstverständlich – fährt Ibrahim am nächsten Tag mit seinem verbeulten roten 190er vor und reicht uns die negativen Testzertifikate. Wir machen einen letzten Haken an die lange Liste der Unterlagen, die wir bei der Einreise auf der anderen Seite des Atlantiks vorlegen müssen. Einfacher ist das Fahrtensegeln in Zeiten der Corona-Pandemie definitiv nicht geworden, und erschwinglicher auch nicht. Mit umgerechnet 50 Euro pro Zertifikat – Lieferservice inbegriffen – sind die Tests in Westafrika die günstigsten und unkompliziertesten.

Am Tag vor unserer Abreise klarieren wir offiziell in Banjul, der Hauptstadt Gambias, aus. Wir bekommen von der Immigration unsere Stempel in die Pässe und vom Zoll für 500 Dalasi (etwa 9 Euro) keinen Zahlungsbeleg, dafür aber Blanko-Ausreisedokumente ausgehändigt, die wir unterwegs selbst ausfüllen. "Hier hat noch nie jemand nach offiziellen Ausreisedokumenten gefragt", kommentiert der korpulente Zöllner etwas verwirrt und steckt das Geld ein. Am Abend dann bekommen wir von Ibrahim die Ergebnisse unseres fragwürdigen Corona-Tests vom Vortag, und zurück an Bord drucken wir sämtliche Gesundheits- und Clearance-Dokumente mehrfach aus, damit die Einreise auf der anderen Seite des Atlantiks hoffentlich reibungslos funktioniert.

Ausklarieren – Atlantiküberquerung – Einklarieren. Das war einmal. Heute heißt es Gesundheitsfragebögen ausfüllen – Online Clearance ausfüllen – Arrival Notice ausfüllen – max. 72 Stunden vor Abreise PCR-Test machen – Ausklarieren – Segeln und jeden Tag Körpertemperatur messen – PCR-Test machen – Quarantäne bis die Ergebnisse da sind – Einklarieren.

Der erste Teil des Papierkrieges liegt hinter uns, jetzt kann es losgehen. Über Seitenarme tuckern wir an Banjul vorbei auf den Gambia River, wie schon öfter in den letzten Jahren. Aber diesmal mit dem entscheidenden Unterschied, dass wir in Banjul nicht nach Steuerbord flussaufwärts, sondern nach Backbord in Richtung Atlantik abbiegen. Es geht noch einige Meilen durch die Flussmündung, bloß nicht zu früh den Kurs ändern, sonst endet die Reise auf den weitläufigen Sandbänken, und dann nach Westen.

Der Wetterbericht sieht gut aus, für die ersten vier Tage sind 15 bis 20 Knoten Wind und etwa zwei Meter Welle angesagt, gute Bedingungen also. In dieser Zeit möchten wir bis nach 12 Grad Süd auf West-Süd-West-Kurs segeln, um den dann angesagten 35 Knoten Wind und vier Meter Welle etwas aus dem Weg zu gehen.

Der Plan geht gut auf, die ersten paar Tage sind zwar nicht gerade das, was man sich unter angenehmem Segeln vorstellt, da der Wind aus nordwestlicher Richtung anstatt der angesagten Nord-Ost-Richtung weht und auch die Welle etwas mehr als vorhergesagt ist, aber wir kommen gut voran. Nach der ersten Nacht sind wir auch aus dem Gebiet der einheimischen Pirogenfischer mit ihren unzähligen Netzen, Blinklichtern und Laserpointern raus und können die Nachtwachen etwas entspannter angehen.

Am zweiten Tag der Atlantiküberquerung trifft es uns alle drei mit Seekrankheit. Kira muss sich zweimal übergeben, während die Wellen seitlich gegen die Bordwand krachen und den Aufenthalt im Cockpit zu einer nassen Angelegenheit machen. Den Start dieses Reiseabschnittes kann man nicht als besonders schön bezeichnen, es ist so eine typische Situation, in der man das ganze Unterfangen hinterfragt. "Wer hat sich diesen Mist einfallen lassen, in einer Nussschale wochenlang über den Atlantik zu segeln?" Diese Momente gibt es. Glücklicherweise selten, und glücklicherweise kann man meist schon kurz darauf darüber lachen.

Aber wenn das Baby sich seekrank in den Schoß übergibt, einem selbst nicht ganz wohl ist, die Luke über den frischen Klamotten leckt, Raupen sich aus den Auberginen im Gemüsenetz aufs Kopfkissen abseilen, Salzwasser in der Bilge schwappt, der neue Wassermacher Probleme statt Frischwasser produziert, noch drei weitere Wochen auf See zu erwarten sind und man sich zum Trost einen Kakao kochen möchte, der sich in der nächsten Welle quer durch die Pantry verteilt, dann kann das schon mal zu einem spontanen Wutausbruch kommen.

Glücklicherweise spiegelt dieser Absatz in keiner Weise unsere Atlantiküberquerung wieder, sondern nur einen kurzen Moment, der aber genauso dazugehört, wie all die schönen und unvergesslichen Erlebnisse der Überfahrt. Das Problem mit den Raupen ist schnell gelöst, das Problem mit dem Wassermacher ist etwas komplizierter, aber ebenso lösbar. Und das Wasser in der Bilge kommt glücklicherweise nicht wie befürchtet durch die Kiel-Rumpf-Verbindung, sondern wie sich später herausstellt vom Fuß einer Relingsstütze.

An unserem Wegpunkt auf 12 Grad Süd angekommen, frischt der Wind auf etwa 25 bis 30 Knoten auf. Weiter im Norden weht er deutlich stärker. Der Wind stört uns nicht, aber eine kurze, steile Welle aus Nord schüttelt uns nochmals ordentlich durch und macht das Leben an Bord unkomfortabel. Das Gute daran ist, dass wir schnell vorankommen und in diesen Tagen über 120 Meilen am Tag machen, was für unser kleines 30-Fuß Boot ein gutes Etmal ist.

In den Kämmen der brechenden Wellen schimmert schaurig-schön das Meeresleuchten, zweimal steigt eine ins Cockpit ein und füllt es wie eine Badewanne auf. Wir ziehen es vor, unter Deck zu bleiben.

Auch sind wir hier so weit von den Hauptschifffahrtsrouten entfernt, dass wir während der Nächte schlafen und nur hin und wieder nachts den Kurs checken. Sollte sich ein anderes Schiff nähern, warnt uns der AIS-Alarm. Er ertönt jedoch kein einziges Mal während der ganzen Reise. Wir sehen nur ein anderes Schiff, das unseren Kurs in der Abenddämmerung kreuzt und bis auf eine halbe Meile nahekommt. Ansonsten sind wir alleine. Das Spannendste, das in diesen Tagen passiert, ist ein Knall in der Nacht und eine gerissene Steuerleine unserer Windfahnensteuerung, die jedoch schnell repariert ist.

Unser Lebensraum unter Deck beträgt etwa 2,5 auf 2,5 Meter. Die Bugkabine ist mit SUPs und Obst voll, und die Hundekoje zur Ablage für alles Mögliche verkommen. Kira und Riki schlafen auf der zur Liegewiese umgebauten U-Sitzecke an Steuerbord, die den meisten Platz unseres knappen Lebensraumes einnimmt, und ich auf der Längskoje an Backbord im Salon. Die U-Sitzecke ist mit einem Leebrett gesichert, damit niemand aus dem Bett fällt und Kira und ihre Duplosteine nicht durchs Boot kullern, somit bleibt tagsüber als Sitzgelegenheit nur die Bank an Backbord. An Deck sieht es ähnlich aus: Die Fock ist am Kutterstag angeschlagen und an der Reling festgebändselt, die Sturmfock liegt im Segelsack bereit und das Dingi findet zusammengerollt Platz hinter dem Mast.

Glücklicherweise wird nach etwa zehn Tagen das Wetter deutlich angenehmer und wir verbringen viel Zeit im Cockpit, wo es jetzt meist trocken ist und nur noch selten eine Welle einsteigt. Es stellt sich ein Bordalltag ein, und das Segeln ist so, wie es sein soll: wunderschön und angenehm.

Manchmal ist es natürlich etwas anstrengend, aber das hat weniger mit dem Segeln als mehr mit einer Einjährigen zu tun, die permanente Aufmerksamkeit fordert, gerade bei einem in den Wellen arbeitenden Boot. Die Zeiten, in denen eine Überfahrt nicht lang genug sein konnte, sind gerade vorbei. Wir genießen das Segeln, aber wir freuen uns auch aufs Ankommen, und wir spüren Kiras Bewegungsdrang. Das ruhige und entspannte Überfahrtsleben gibt es jetzt nur noch in den zwei Stunden, in denen Kira ihren Mittagsschlaf macht. Aber auch sie gewöhnt sich an das Leben auf der Überfahrt, und der gemeinsame Spaßfaktor überwiegt die anstrengenden Momente deutlich.

Kiras Lieblingsplatz während der Atlantiküberquerung ist auf dem zugezogenen Schiebeluk unter dem Dodger. Jeden Abend vor dem Insbettgehen sitzt sie dort, schaut durch die salzverkrustete Scheibe den Sonnenuntergang an und wippt mit dem Po zur Musik aus der Bluetooth-Box. Später, wenn sie schläft, sehen wir im Norden den Großen Wagen und den Nordstern über dem Horizont und auf der gegenüberliegenden Seite das Kreuz des Südens. Jetzt ist Zeit für einen Sundowner, und hin und wieder gönnen wir uns einen Schluck Wein.

Mittwoch und Sonntag sind die Tage, an denen wir mit dem Satellitentelefon kurz mit der Familie telefonieren. Die Position und die wichtigsten Dinge werden durchgegeben, ausführliche Telefonate müssen bis nach der Atlantiküberquerung warten, zu teuer sind die Gebühren. Mit dem Satphone haben wir auch den Luxus, jeden zweiten Tag einen Wetterbericht zugestellt zu bekommen. Ebenso regelmäßig wie die Telefonate sind die Waschtage, dann wird unsere Waschmaschine in Form eines großen Netzes ausgepackt und Kiras Stoffwindeln eine Stunde hinter dem Boot hergezogen, der Vorwaschgang sozusagen, bevor sie dann mit Waschbrett und kostbarem Süßwasser gewaschen werden.

Das viele Obst und Gemüse, das wir vor der Abfahrt besorgen, reicht bis zum letzten Tag der Überfahrt. Verpflegungstechnisch können wir nicht klagen, täglich wird der Welle entsprechend aufgekocht. Gibt es am Anfang der Reise nur Haferflocken in der Früh und etwas sehr einfaches Warmes am Nachmittag, sieht unser Speiseplan schon bald so aus, dass auf das Frühstück ein zweites Frühstück in Form von Nudeln oder Reis vom Vortag mit Zwiebeln und Ei angebraten folgt, dann etwas genascht wird, am Nachmittag gibt es Obst, später dann eine warme Mahlzeit und zum Sundowner ein Stück Schokolade.

Die Tage kommen und gehen, und würden wir kein Logbuch schreiben, hätten wir keinerlei Gefühl für die Zeit mehr. Nach 15 Tagen auf See knacken wir die 1.000-Meilen-Entfernungsmarke. 1.750 Meilen liegen hinter uns. Ab jetzt ist die Strecke noch dreistellig, und die Zeit vergeht gefühlt schneller.

Das Meer wird von Tag zu Tag wärmer, und wir freuen uns darauf, in Ruhe einen Kaffee zu trinken, ins Wasser zu springen und mit Kira am Strand zu spielen. Vier Tage vor Ankunft entdeckt sie ihre Flipflops und möchte sie nicht mehr ausziehen, ebenso wie ihren kleinen Rucksack. Also verbringen wir Stunden unter Deck, wo die Kleine mit Schuhen und Rucksack durch das Boot laufen möchte. Drei Meter vom Niedergang bis zur Bugkabine und wieder zurück. Und hin und zurück und hin und zurück und, und, und. Das Ganze funktioniert wegen der Welle natürlich nur an der Hand, sodass einer von uns gezwungen ist, ebenso durch das Boot zu wackeln. Anstrengend, aber mit viel Gelächter verbunden.

In der Nacht auf den 24. März tauchen die Lichter von Grenada am Horizont auf. Die letzten Meilen kommen wir deutlich besser voran als gedacht, und schon am Morgen segeln wir entlang der Südküste der Insel und um die Ecke nach Saint George's, wo der Anker fällt.

24 Tage, 2.750 Seemeilen und eine Atlantiküberquerung liegen hinter uns. Ein paar Dinge der "Da freuen wir uns drauf Liste" erledigen wir sofort: einen Kaffee, ein Bad im Meer und, man ist ja schließlich in der Karibik, ein Glas Rum.

Dann paddeln wir mangels funktionierendem Außenborder mit einem nach zwei Jahren afrikanischer Hitze milde ausgedrückt lädiertem Dingi und einem schreienden Kind eine Stunde lang gegen 25 Knoten Wind die halbe Meile in den Hafen, um dort unsere PCR-Tests zu machen. Im Gepäck haben wir das Tablet mit der aufgezeichneten Route (Wir müssen die Tage auf See nachweisen, um der Quarantäne zu entgehen), unser Logbuch mit den täglichen Eintragungen der Körpertemperatur und sämtliche Unterlagen wie die negativen Corona-Tests aus Gambia sowie die mittlerweile ausgefüllten Ausreisedokumente vom Zoll.

Was für ein Unterschied ist das Einklarieren im Gegensatz zur Ausreise auf der anderen Atlantikseite: Hier wird streng getestet, Abstands- und Maskenregeln werden eingehalten, und ohne negatives Testergebnis kommt niemand an Land. Zack, ein Wattestäbchen in die Nase und dann ab zurück aufs Boot. "Wir melden uns, wenn die Ergebnisse da sind." Drei Tage warten wir an Bord, bis unsere PCR-Tests ausgewertet sind.

Mit der ersehnten ruhigen Ankerbucht müssen wir uns wohl noch etwas gedulden, denn am Quarantäneankerplatz vor der Hauptstadt Saint George's steht ein etwas unangenehmer Schwell aus Nordwesten. Dann endlich der Anruf: "Eure Ergebnisse sind da, ihr könnt einklarieren." Das Einklarieren geht im Gegensatz zu der wiederholten Paddeltour von Bord an Land schnell und unkompliziert, und eine Stunde später haben wir unsere Stempel für drei Monate in den Pässen.

Wir bummeln ein wenig durch den Ort und freuen uns über die Ankunft. Der feste Boden unter den Füßen ist für uns ungewohnt und auf den ersten Metern noch etwas schwammig. Kira hingegen, die in Gambia das Laufen gelernt hat und auf der Überfahrt die Wellen super mit ihren Schritten ausgeglichen hat, fällt um wie ein Sack Reis und muss das Laufen erneut lernen. Im nächsten Supermarkt kaufen wir etwas einheimisches Obst und eine Flasche grenadischen Rum, mit dem wir am Abend auf das nächste Kapitel unserer Reise anstoßen: die Karibik.

Früh am nächsten Tag heißt es dann Anker auf. Unter Maschine fahren wir gegen den sehr starken Wind und hohe Wellen um die Südwestspitze der Insel in eine Ankerbucht an der Südküste Grenadas. Mit 4,5 Knoten durchs Wasser und unter einem Knoten über Grund kämpfen wir uns voran. Vor unserem eigentlichen Ziel türmen sich die Brecher an den Felsen und am Riff so gewaltig, dass wir kurzfristig beschließen, in die benachbarte Bucht abzubiegen. Der Anker fällt in der schmalen Passage zwischen Grenada und einer vorgelagerten Insel, doch anstatt 30 Grad und Sonnenschein heißt es 30 Knoten und Regen, teilweise auch 40 Knoten und sogar kleine Hagelkörner.

Das ist also die Karibik. Ein Squall nach dem anderen zieht über die Insel hinweg, und wir sind froh, an einem geschützten Ankerplatz und nicht auf See zu sein, wo wir 24 Tage lang von Wetter wie diesem verschont geblieben sind.

Ein 30-Fuß-Boot mit Kleinkind ist eng. Eng und etwas unkomfortabel, aber machbar, zumindest für eine gewisse Zeit. Da sich die Reise für uns jedoch immer mehr von einer definierten Reise zu einer zeitlich relativ unbegrenzten Art zu leben entwickelt, spielen wir bereits vor der Atlantiküberquerung mit dem Gedanken, uns bootstechnisch vergrößern zu wollen. All unsere Anforderungen an die potenzielle Nachfolgerin unserer treuen "Aracanga" unter einen Hut zu bekommen ist nicht einfach. Vor allem, da das Ganze noch irgendwie in unser Budget passen muss.

Wir suchen ältere Integralkieler, die viele unserer Punkte erfüllen, jedoch meist deutlich zu teuer sind. Ein anderes Boot ist schneller verkauft, als wir antworten können.

Dann finden wir die Anzeige einer Prout 37. Ein Katamaran. Ein Katamaran? Sie ist komplett anders als diejenigen Boote, nach denen wir eigentlich suchen, aber sie ist das einzige Boot, das alle unsere Anforderungen erfüllt.

Außerdem gilt sie als extrem hochseetauglich und sicher. Und je länger wir uns mit dem Boot befassen, desto mehr gefällt uns die Vorstellung des kleinen Katamarans und wir schicken eine E-Mail an die Verkäufer. "Kommt vorbei und schaut sie euch an", lautet die Antwort. All das passiert noch in Gambia. Und deswegen sind wir jetzt in Grenada. Wir besichtigen das Boot und schlagen zu.

Schweren Herzens hängen wir ein "For Sale"-Schild an unser rotes Boot. Die Angst, dass es dauert, bis wir einen Käufer finden, und wir lange Zeit die laufenden Kosten für zwei Boote tragen müssen, stellt sich als absolut unbegründet heraus. Bereits Tage später ist die "Aracanga" per Handschlag verkauft, mit sehr gutem Gefühl an einen äußerst sympathischen Musiker aus Wales. Er arbeitet als Skipper auf einer großen Segelyacht mit ungewisser Zukunft, hat die Schnauze voll von defekten Klimaanlagen, Kühlschränken und Mikrowellen und sucht ein kleines, simples Boot, um darauf zu leben.

Unser neues Boot ist zwei Meter länger und zwei Meter breiter als die Vorgängerin und bietet als Katamaran deutlich mehr Lebensraum. Die ersten Tage auf dem neuen Boot sind, wie nicht anders zu erwarten, vom Chaos geprägt. Und auf dem Kat ist noch viel mehr Platz für Chaos als auf unserem kleinen Mono.

Wir haben nicht einfach ein Boot gekauft, nein, wir haben ein Boot voller Überraschungen gekauft.

Zum Zeitpunkt der Übernahme des Bootes gibt es kein leeres Schapp. Also ist vor dem Einräumen ausräumen, putzen und kräftig aussortieren angesagt. Leider gibt es viel zu putzen und viel zu entrümpeln, und zum Glück ist hier in einer Woche Flohmarkt, wo wir ein buntes Sortiment anbieten können.

Einen Monat sind wir jetzt auf dem neuen Boot, und wir können sagen, es war eine gute Entscheidung. Mit dem neuen Relingnetz kann Kira den größten Vorteil des Katamarans voll ausnutzen: den vielen Platz. Vom Cockpit aufs Achterdeck, am Aufbau vorbei bis auf Höhe der Wanten, dann in einer wagemutigen Kletteraktion auf das Dach, im Slalom zwischen den Luken bis nach vorne und dann auf dem Popo über die Frontscheiben zurück an Deck. Es folgt ein kurzes Freudentänzchen, dann geht es zurück zu den Wanten und wieder von vorne los.

Speziell die Rutschpartie über die Scheiben sieht, je nachdem ob mit oder ohne Windel, vom Salon aus gesehen besonders lustig aus. Wenn die Runden übers Deck dann langweilig werden, geht es entweder ans Achterdeck, der Finger zeigt auf unser Dingi und es wird laut "brummbrumm" gerufen, das Zeichen, dass es an der Zeit ist, an den Strand zu fahren, oder in den Salon und mit dem ausgestreckten Finger aufs Obstnetz über der Pantry folgt die klare Aufforderung "Mamo" (Mango) oder „Nane“ (Banane).

Pläne sind das, was man bei Ebbe in den Sand schreibt. Und nach der nächsten Flut sind sie futsch und man kann neue Pläne in den Sand schreiben. Es ist schön, so flexibel zu sein, Ideen nach Lust und Laune über Bord zu werfen und Neue zu spinnen. Aber leider sind es nicht immer wir, die bestimmen, was passiert, und somit wird manch schönes Vorhaben, auf das man sich freut, über den Haufen geworfen und endet in einer großen Baustelle an Bord. So unser erster geplanter Trip mit dem neuen Boot: die Testfahrt zur Nachbarinsel Carriacou.

Die Lernkurve auf dem Katamaran – wir sind zum ersten Mal auf einem solchen – ist steil. Aber auch die Annehmlichkeiten des Zweirumpfers lernen wir schnell zu schätzen: Der seitliche Schwell stört uns nicht, als wir nach den ersten 15 gesegelten Meilen an einer Boje liegen. Wir springen ins Wasser, schnorcheln eine Runde ums Boot und am Riff entlang und zurück an Bord kontrollieren wir noch einmal die beiden Festmacherleinen zur Boje. Alles gut.

Aber steht die Ankerwinde nicht etwas komisch an Deck? Ein Blick in den Ankerkasten, wo Motor und Getriebe der Winsch sitzen, offenbart die Bescherung: Das Getriebe ist in zwei Teile gebrochen. Als wir etwas später die Winde auseinandernehmen, stellen wir fest, dass abgesehen vom Motor auch der Rest des Teils völlig korrodiert ist. So viel zum Thema, die Winde wurde frisch gewartet.

Wir beschließen, uns nicht zu ärgern. Da wir eigentlich vorhaben, in den nächsten Wochen viel zu ankern, ist es klüger, zurückzusegeln und das Teil zu reparieren oder zu ersetzen, bevor wir wieder aufbrechen. Es gibt einen Sundowner, und alles ist gut.

Zumindest für kurze Zeit, denn als etwas später die Wasserpumpe kurz aussetzt, entdecken wir die nächste Überraschung: Beim Säubern des Vorfilters der Pumpe klingt das Holz, auf der diese liegt, etwas komisch. Also klopfen wir etwas darauf herum, und zack klopft der Daumen durch das so schön lackierte Holz hindurch. Jetzt ärgern wir uns doch: Das ganze Holz und, wie wir später feststellen, das dahinterliegende Schott sind morsch. Unter dem Fach und von außen nicht zugänglich sitzt der Mastfuß, ein massives Stück Hartholz, das ebenfalls morsch an den Rändern ist. Jetzt bringt es nichts mehr zu sagen, wir ärgern uns nicht, jetzt ärgern wir uns.

Warum haben wir das bei der Bootsbesichtigung nicht festgestellt? Ganz einfach, es ist nicht sichtbar gewesen, versteckt hinter Wänden, Böden, schönem Laminat und Lack.

Das ganze Ausmaß des Problems sehen wir erst, als wir viele Schrauben lösen, Einbauten und Schrankrückwände abmontieren und kopfüber tief in der Bilge hängen. Somit steht unsere Baustelle Nummer zwei fest, gegen die die gebrochene Ankerwinde zur Kleinigkeit verkommt. Mit unserem Trip nach Carriacou wird es wohl in den nächsten Wochen nichts, jetzt sind erst einmal Arbeitstage angesagt. Zumal wir ja noch die Baustelle Nummer drei haben, die wir eigentlich angehen wollten: einen Dodger und ein Hardtop.

Zwei Tage später machen wir in unserer alten Ankerbucht mangels Ankerwinde an einer Boje fest, und die nächsten Monate heißt es arbeiten statt segeln. Vorerst lassen wir den Mastfuß Mastfuß sein und kümmern uns zunächst um Dodger und Hardtop. Hintergrund ist, dass uns unser Freund Paul, Bootsbauer von Beruf, hierfür seine Hilfe angeboten hat, die wir natürlich gerne in Anspruch nehmen.

Um uns hier nicht in technischen Details zu verlieren, halten wir es kurz und knapp: Hardtop und Dodger, Dach und Windschutzscheibe sozusagen, bestehen aus einem Kunststoffkern mit einer Honigwabenstruktur, der mit Glasfasermatten und Polyesterharz überlaminiert und einem Gelcoat überzogen wird. Die Seitenteile laminieren wir direkt an Deck, das Dach biegen wir auf einem extra hierfür angefertigten überdimensionierten Tisch über ein Spantengerüst und fertigen es komplett an Land.

Über dem Steuerstand bauen wir eine große Luke ein, für bessere Belüftung im Cockpit und um ins Großsegel blicken zu können. Hier ein paar Eckdaten: Wir verbauen fünf jeweils zweieinhalb Quadratmeter große Platten des Kernmaterials, dazu 60 Meter Glasfasermatten, 70 Liter Polyesterharz, und (da wir normalerweise sehr umweltbewusst leben ist es mir wirklich unangenehm, das zu schreiben) unser Bedarf an Einweghandschuhen summiert sich auf etwa 600 Stück.

Am Ende packen wir das Dach auf einen Schwimmsteg, mit dem wir es an Bord bringen, fügen an Deck alles zusammen, laminieren die Teile aneinander, schneiden die Fenster aus, setzen diese ein, und nach einem kleinen Millimeter-Zoll-Umrechnungsdebakel bekommen wir dann doch noch passende Alustützen für achtern.

Nach und nach schließen wir auch die anderen Baustellen an Bord ab: Den Bug ziert eine neue Ankerwinde, und der Mastfuß ist repariert und verstärkt. Er ist vielleicht der stärkste Mastfuß aller je gebauten Prout Snowgoose. Unter Deck gibt es neue Polsterbezüge und auf die Scheiben schattenspendenden Sonnenschutz. Dann kommt der erste Hurrikan der Saison, Elsa, er bringt uns jedoch mehr Regen als Wind und die Gewissheit, dass wir auch das Problem der undichten Fenster erfolgreich behoben haben.

Nach unseren Arbeitstagen sind wir abends entweder gemütlich an Bord oder irgendwo, wo Musik gespielt wird. Es gibt so gut wie jeden Abend in irgendeiner Bar Livemusik. Dann ist Kira mittendrin, mit der Rassel in der Hand oder einer Mundharmonika im Mund, freut sich und tanzt. Und wir freuen uns auch. Und tanzen auch manchmal.

Mehr als ein halbes Jahr Arbeit liegt hinter uns. Dann endlich ist es so weit: Wir sind segelfertig. Also auf zur ersten Testfahrt! Nur so einfach ist das leider nicht. Da war ja noch Corona. Und mit den in den letzten Tagen exponentiell angestiegenen Covid-Fällen auf Grenada war es nur eine Frage der Zeit, bis strengere Einschränkungen in Kraft treten.

Und die Einschränkungen kommen Schlag auf Schlag: Zuerst wird die nächtliche Ausgangssperre von Mitternacht auf 21 Uhr vorgezogen und kurz darauf ein Quasi-Lockdown verkündet. Jetzt sind wir so lange hier, jetzt machen ein paar Wochen auch keinen Unterschied mehr. Also machen wir es uns an Bord bequem, gehen viel baden und warten ab, bis wir endlich die Segel setzen dürfen.

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Verletzt man sich an Bord oder erkrankt, ist eine Reiseversicherung wichtig, besonders im Ausland. Spätestens, wenn man abgeborgen oder ausgeflogen werden muss, wird es teuer. Doch welche Police ist wofür die richtige? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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